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Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag

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02.03.2023

Obliegenheiten sind neben den Rechtspflichten wesentlicher Bestandteil eines Versicherungsvertrages, um wechselseitige Rechte und Pflichten zwischen Vertragspartnern zu begründen. Im Gegensatz zu den Rechtspflichten ist die Einhaltung von Obliegenheiten nicht mittels gerichtlicher Klage durchsetzbar. Obliegenheitsverletzungen haben aber durchaus schwer-wiegende Folgen auf die Ansprüche aus einem Versicherungs-vertrag in Form von Leistungsminderung oder sogar Leistungs-freiheit oder besonderer Kündigungsrechte.

Obliegenheiten bestehen sowohl für den Versicherungsnehmer als auch für den Versicherer. Sie sind zum Teil im Versicherungs-vertragsgesetz geregelt, aber auch in den relevanten Versicherungs-bedingungen des Versicherungsvertrages genau angeführt.

Grundsätze des Obliegenheitsrechtes

  • Nur bei Verschulden treten die nachteiligen Folgen einer Obliegenheitsverletzung ein
  • Der Versicherungsfall muss gerade wegen der Obliegenheitsverletzung eingetreten und/oder die Folgen bzw. die Aufklärung erschwert worden sein. Der Versicherungsfall muss mit der Obliegenheitsverletzung in ursächlichem Zusammenhang stehen.
  • Der Versicherer muss dem Versicherungsnehmer ausdrücklich mitteilen, dass er aufgrund der Obliegenheitsverletzung leistungsfrei ist oder sein kann.
  • Wird eine Obliegenheit verletzt, die deshalb vereinbart wurde, um die Äquivalenz zwischen Prämie und Leistung aufrechtzuerhalten, so tritt nur eine aliquote Leistungsfreiheit ein.
     

GESETZLICHE OBLIEGENHEITEN DES VERSICHERUNGSNEHMERS

Obliegenheiten vor dem Vertragsabschluss – die vorvertraglichen Anzeigepflicht
Um dem Versicherer die Übernahme eines Risikos überhaupt zu ermöglichen, ist es unumgänglich, dass der Versicherungsnehmer den Versicherer vollständig und richtig über das zu versichernde Risiko informiert. Bereits bei der Antragstellung hat er daher möglichst viele und genaue Angaben, die ihm bekannt sind, über den Gegenstand der Versicherung – das zu versichernde Risiko – zu machen.
Die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zählt zu den häufigsten Ursachen für Auseinandersetzungen zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern, wobei besonders die Unfall- und Betriebsausfallversicherungen betroffen sind.

Obliegenheiten nach dem Vertragsabschluss – die Gefahrenerhöhung
Aber auch nach Abschluss des Vertrages ist jede Veränderung, die das versicherte Risiko betrifft und eine Erhöhung der Gefahr bewirkt, zu unterlassen bzw. der Versicherung umgehend zu melden. So ist es selbstverständlich wesentlich, ob das versicherte Fahrzeug als Privat-Pkw oder als Taxi verwendet wird, ein Gebäude als Wohnhaus oder als Lager für leicht brennbare Flüssigkeiten dient oder der privat Unfallversicherte den Job gewechselt hat und nun nicht mehr Bürokaufmann, sondern zum Beispiel selbstständig erwerbstätiger Bergführer ist. Unerheblich für die Verpflichtung zur Anzeige ist, ob die Änderung

  • gewillkürt, also bewusst vorgenommen oder gewollt
  • oder nicht gewillkürt, also durch nicht vom Versicherungsnehmer beeinflussbare Umstände

eingetreten ist (auf den Leistungsumfang oder die Kündigungs-möglichkeit hat das aber sehr wohl Auswirkungen!).
Oft wird vom Versicherer jedoch erst nach dem Eintreten eines Versicherungsfalles die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht oder der nicht erfolgten Anzeige der Gefahrenerhöhung durch den Versicherungsnehmer entdeckt. Trifft den Versicherungsnehmer ein Verschulden an der unrichtigen Information (wegen Fahrlässigkeit, Vorsatz, Arglist), hat der Versicherer auch da noch ein Rücktrittsrecht und/oder ist ganz oder teilweise leistungsfrei.

VERTRAGLICH VEREINBARTE OBLIEGENHEITEN DES VERSICHERUNGSNEHMERS
Neben den gesetzlichen Obliegenheiten sind auch eine Vielzahl wichtiger Pflichten und Verhaltensregeln in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, in den speziellen Versicherungsbedingungen und in den einzelvertraglichen Vereinbarungen (Polizze), die etwa ein bestimmtes Verhalten im Schadenfall vorsehen (z. B. rechtzeitige Schadenmeldung) oder genau festgelegte Schutz- und Vorsorgemaßnahmen beschreiben, vereinbart. Dazu zählen

  • vorbeugende Maßnahmen, die vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen sind, um die Gefahr zu vermindern bzw. zur Verhütung der Gefahrenerhöhung, wie z.B. der Einbau brandschutzhemmender Türen, einbruchsicherer Schlösser, Scherenschutzgitter in Juwelierauslagen, u.s.w.
  • Maßnahmen und Verhaltensregeln nach Eintritt des Versicherungsfalles, z.B. Pflicht zur (rechtzeitigen) Schadensanzeige, Rettungs- und Schadenminderungspflichten, Auskunfts- und Belegpflichten.
     

OBLIEGENHEITEN DES VERSICHERERS

Antragsdurchschrift
Der Versicherungsnehmer hat das Recht auf eine Kopie der Vertragserklärung = Antrag, damit er über Inhalt und die Pflichten, die er eingegangen ist, informiert ist.
Bei Erhalt der Polizze soll er damit außerdem die Möglichkeit haben, diese auf Abweichungen von seinem gestellten Antrag überprüfen zu können.

Aushändigung der Versicherungsbedingungen
Damit der Versicherungsnehmer die Möglichkeit hat, das Versicherungsprodukt als Gesamtheit beurteilen zu können, müssen im rechtzeitig vor Unterfertigung des Antrages sämtliche Versicherungsbedingungen und die Bestimmungen über die Festsetzung der Prämie ausgehändigt werden. Ansonsten hat der Versicherungsnehmer ein besonderes Rücktrittsrecht.
Außerdem muss er über das Rücktrittsrecht aufgeklärt und ihm ein Kundeninformationsblatt ausgehändigt werden.

Hinweis des Versicherers auf negative Deckung
Der Versicherer muss den Versicherungsnehmer über den Zeitpunkt, ab dem Versicherungsschutz besteht, aufklären. Im Besonderen muss er ihn bei Verwendung eines Antragformulars darauf hinweisen, dass der Versicherungsvertrag erst mit Zugang der Polizze oder einer gesonderten Annahmeerklärung zu Stande kommt und vor diesem Zeitpunkt kein Versicherungsschutz besteht (AUSNAHME: vorläufige Deckung).

Abweichungen vom Antrag
Stellt der Versicherer die Polizze aus und weicht der Inhalt der Polizze vom gestellten Antrag ab, muss der Versicherer ausdrücklich darauf und auf daraus resultierende Rechtsfolgen für der Versicherungsnehmer hinweisen, und alle Abweichungen müssen in der Polizze deutlich ersichtlich sein. Sind die Abweichungen für den Versicherungsnehmer nicht deutlich erkennbar bzw. erfolgt überhaupt kein Hinweis, gilt der Vertrag zwar als geschlossen, aber im Sinne des gestellten Antrages ohne die erschwerenden Bedingungen.

 

Quelle: Bildungsakademie der Österreichischen Versicherungswirtschaft (BÖV)